Liebe Leserinnen, liebe Leser,
was tun, wenn auf einmal alles anders ist? Der weltweite Ausbruch der Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell sich Realitäten ändern können. Schulen, Krankenhäuser und ganze Staaten müssen ihre Strukturen und Pläne anpassen – mit einschneidenden Folgen für jede und jeden von uns.
In Krisen zeigen sich die gesellschaftlichen Probleme verstärkt wie unter einem Brennglas. Marginalisierte Gruppen sind stärker betroffen und werden bei den Lösungen weniger mitgedacht. In allen Krisen sehen wir, dass patriarchale Strukturen erstarken – mit fatalen Folgen für Frauen und das soziale Gefüge. Unverhältnismäßig stark betroffen sind Frauen, die besonderen Schutz benötigen.
Das Jahr 2019 war in dieser Hinsicht leider keine Ausnahme. Besonders erschüttert hat mich die Situation jesidischer Frauen. Der Völkermord an der jesidischen Minderheit durch den so genannten Islamischen Staat umfasste auch die Verschleppung, Zwangsverheiratung und Vergewaltigung Tausender jesidischer Frauen. Nach irakischem Recht gelten die Kinder, die diese Frauen in der Gefangenschaft geboren hatten – fast immer als Folge von Vergewaltigungen – nicht als JesidInnen, sondern aufgrund ihrer Erzeuger als muslimisch. Auch die jesidischen Autoritäten haben sich nicht dazu durchringen können, die Kinder als Teil der jesidischen Gemeinschaft zu akzeptieren. Die Mütter wurden somit gezwungen, entweder ihre Kinder abzugeben oder sich von ihrer Gemeinschaft loszusagen.
Um Frauenrechte auch in Krisenzeiten verteidigen zu können, müssen wir gemeinsam aktiv werden, und zwar, bevor es zu spät ist. Unsere Partnerinnen beweisen derzeit, wie wichtig es ist, starke Netzwerke von Frauenrechtsorganisationen aufzubauen, die auch unter Druck handlungsfähig bleiben. Hier gab es im letzten Jahr beeindruckende Entwicklungen. So haben in der Region der Großen Seen Afrikas drei unserer Partnerorganisationen begonnen, länderübergreifend zusammenzuarbeiten. Auch in Afghanistan und Irak sowie in Südosteuropa wurden mit unserer Unterstützung regelmäßige Austauschtreffen zu fachlichen Themen und politischen Strategien initiiert.
Es sind diese Netzwerke von Frauenrechtsaktivistinnen, die mir Mut und Hoffnung geben. Diese Bündnisse gilt es zu unterstützen und zu fördern – damit wir Krisen nicht ohnmächtig, sondern kraftvoll und entschlossen gegenübertreten können.
Dr. Monika Hauser
