
Das Buch ist 2016 erschienen im Europa Verlag Berlin und für 18,99 (D) Euro erhältlich.
368 Seiten l gebunden l ISBN 978-3-95890-015-8 WG 1116
Leseprobe des Verlags
»Malik!«, hallte es plötzlich durch den Raum. Obwohl es so schwül war, fröstelte es mich, als ich ihren Namen hörte. Malik war unsere Nachbarin. Die Kleine war nicht nur süß und wunderhübsch mit ihrer schmalen Figur, sie war auch sehr pfiffig. Sie war etwas größer gewachsen, obwohl sie erst 12 Jahre alt war. »Malik!« Erneut verlangte die Männerstimme nach ihr. Unsere Freundin hat nicht reagiert und versucht, ihre großen dunklen Augen hinter ihrem lockigen schwarzen Haar zu verbergen.
Da hat dieser IS-Anführer sie auf Arabisch zur Rede gestellt. Malik aber hat sich dumm gestellt und nur mit den Schultern gezuckt, als ob sie der Sprache nicht mächtig wäre. Da es aber ein arabischer Nachbar war, der sie für sich haben wollte, lachte er sie nur aus. »Natürlich verstehst du Arabisch, du bist doch auf unsere Schule gegangen. Und wir wissen doch alle, dass du ein intelligentes Mädchen bist.«
Ganz Hardan hatte auch die 19-Jährige, die als Nächste mit hängendem Kopf hinaustreten musste, für ihre Schönheit bewundert. Sie sah aus wie euer Schneewittchen. Vom Körperbau her war sie ähnlich wie ich: eher klein, rundlich und mit einem breiten Gesicht. Die Haut wie mit Kalk bestrichen, umrahmt von vollem schwarzem Haar.
Das dritte Mädchen aus unserem Dorf war 20 Jahre alt, gerade erst seit sieben Monaten frisch verheiratet. Und derjenige, der sie auserwählt hatte, sagte zu ihr: »Ich fand dich schon vor deiner Hochzeit sehr schön und wollte dich schon immer für mich haben.« Diese Männer waren alle maskiert. Nur ihre Augen konnten wir sehen. Erst nach zwei Monaten haben sie ihre Masken abgenommen. Da haben wir in die Gesichter all unserer arabischen Nachbarn geblickt.
Eingeschränkt empfehlenswert
Die Geschichte Shirins wird stellvertretend erzählt für die vielen Gewalterfahrungen von Frauen und Mädchen, die aus Angst und Scham unerzählt bleiben. Die Zeitzeugin Shirin veranschaulicht komplizierte Zusammenhänge des Aufeinanderprallens kultureller Traditionen, politischer Interessen und Religionen. So manches Halbwissen oder Vorurteil wird durch dieses Buch korrigiert. Als LeserIn erkennt man beispielsweise schnell, dass Shirin anfangs noch an den Vergewaltigungsmythos glaubt, sie könne sich durch ungepflegtes Erscheinen oder „Nicht-Zurechtmachen“ für ihre Peiniger uninteressant oder gar unsichtbar machen. Sie und ihre Leidensgefährtinnen werden schnell eines Besseren belehrt – die Opferauswahl ist willkürlich, kann nahezu alle Frauen und Mädchen treffen und folgt höchstens der Priorisierung der Jungfräulichkeit.
In eindringlichen Schilderungen wird die Bedrohlichkeit sexualisierte Kriegsgewalt und ihre zerstörerische Wirkung auf Einzelne, Familien und Gemeinschaften spürbar. Ein Punkt, warum Überlebende sexualisierter Gewalt diese Buch nur mit klarem Bewusstsein für seine Retraumatisierungs-Potenziale lesen sollten. Die Autorin Alexandra Cavelius macht in ihrem Begleitwort deutlich, dass es der traumatisierten Shirin sehr schwer fiel, über das Erlebte zu sprechen. Es war für die Autorin aber wichtig, mit möglichst authentischer Erzählung die Menschen aufzurütteln.
Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Erinnerungen an traumatische Ereignisse sind häufig fragmentiert abgespeichert und nicht als kohärentes Narrativ. Das Erleben sexualisierter Gewalt ist unter Bedingungen der Unsicherheit (Flüchtlingslager, fremde Ärzte, männliches Personal etc.) häufig nicht kommunizierbar. Auf der Suche nach einer erzählbaren Geschichte wurde im schlimmsten Fall nicht immer traumasensibel gegenüber der Überlebenden vorgegangen und ihr Interesse stand womöglich nicht im Vordergrund.
medica mondiale, Juni 2016
Über das Buch
"Cavelius lässt Shirin aus der 'Ich'-Perspektive erzählen und lässt uns so unmittelbar an deren Odyssee teilhaben. "
Terre des Femmes, Menschenrechte für die Frau e.V., März 2016
"Ein Buch welches einen ohnmächtig und doch auch wütend macht."
"Ein schönes Buch ist das nicht, ganz im Gegenteil, aber ein gutes und wichtiges Buch. Wer sich wirklich auf die Lektüre einlässt, wird schlaflose Nächte haben, etliche Fragen an die deutsche und internationale Flüchtlingspolitik stellen und vieles mehr mit anderen Augen sehen."
media-mania.de, März 2016
"Ein erschütterndes Buch und ein Plädoyer, den IS zu vertreiben und zu zerschlagen."
Badische Zeitung, April 2016