11. Oktober 2018
Liberia: Frauen, Mädchen und Männer gemeinsam für ein Leben ohne Gewalt
Die männlichen Botschafter gegen sexualisierte Gewalt sind ein wichtiger Teil des Konzepts von Medica Liberia auf dem Weg zu einem gewaltfreien und gleichberechtigten Miteinander. Denn nachhaltiger Wandel, weiß das Team der liberianischen Frauenrechtsorganisation, kommt nur voran, wenn alle mitmachen. Die wichtigsten Zielgruppen ihrer Arbeit bleiben aber Frauen und Mädchen.
Nicht mal in der Schule sicher vor sexualisierter Gewalt
„Noch immer wachsen Mädchen und Jungen in Liberia aufgrund tief verwurzelter patriarchalischer Einstellungen ganz unterschiedlich auf“, sagt Daniela Gierschmann, Länderreferentin bei medica mondiale. Während die Jungen etwa nach der Schule Fußball spielen, wird von den Mädchen erwartet, dass sie im Haushalt oder auf dem Feld helfen. Gerade für junge Frauen ist sexualisierte Gewalt eine allgegenwärtige Bedrohung – ob in der Familie, auf dem Weg zur Wasserstelle oder zum Markt. Nicht mal in der Schule sind sie sicher.
Die Folge: Liberia hat eine der höchsten Rate von Teenagerschwangerschaften weltweit. Fast zwei Drittel aller Mütter in Liberia sind jünger als 19 Jahre, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. 20 Prozent der Mädchen haben vor ihrem 15. Lebensjahr Geschlechtsverkehr, jede siebte davon gegen ihren Willen. Oft wissen die Jugendlichen wenig über Verhütung oder sexuelle Selbstbestimmung. Für die meisten Mädchen bedeutet die frühe Mutterschaft das Ende der Schulzeit. Im Südosten des Landes liegt ihr Anteil an den weiterführenden Schulen gerade einmal bei 36 bis 41 Prozent. Doch ohne Bildung haben sie kaum Aussicht, später ihre Existenz zu sichern.
Selbstbewusst die eigene Zukunft gestalten
In den von Medica Liberia organisierten Girls’ Clubs lernen Mädchen, sich gegen Gewalt und Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Insgesamt 32 Clubs in Schulen sowie Kirchen und Vereinen sind derzeit in den Projektgebieten Sinoe, Grand Gedeh und der Umgebung von Monrovia aktiv. Die Gruppen bieten den Mädchen einen geschützten Raum, in dem sie offen über Probleme und Erfahrungen aus ihrem Lebensalltag sprechen können. Im Mittelpunkt stehen dabei Informationen zu Sexualität, Menstruation und Verhütung, zu Frauenrechten und anderen Fragen rund um das Erwachsen-Werden, die in jugendgerechter Form, etwa als Theaterstück oder Rap vermittelt werden. Zugleich geht es bei den regelmäßigen Treffen immer auch darum, den Mädchen Selbstvertrauen zu geben und sich gegenseitig zu stärken.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass es besonders wirksam ist, wenn Gleichaltrige Aufklärung leisten. Deshalb schult Medica Liberia einzelne Mitglieder, die ihr Wissen dann an ihre Gruppe aber auch in ihrem sozialen Umfeld weitergeben. Mentorinnen stehen ihnen als Vertrauenspersonen zur Seite. Sie helfen bei Problemen oder begleiten die Mädchen etwa nach akuter Gewalt zu Gesundheitseinrichtungen oder zur Polizei.
"Ärztin wäre mein Traumberuf" – Aufklärung zu Frauenrechten und Gesundheit in Verbindung mit Berufsberatung für Mädchen
„Ärztin wäre mein Traumberuf“, sagt Natalie aus der elften Klasse. Erstmals überhaupt beschäftigen sich die Schülerinnen der St. Joseph Highschool in Greenville mit ihrer beruflichen Zukunft. Bisher war der Lebensweg der Mädchen vorbestimmt: Heiraten und Kinder bekommen. Im Rahmen eines Projekts in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) verbindet Medica Liberia seit 2017 an 17 weiterführenden Schulen in Grand Gedeh und Sinoe Aufklärung zu Frauenrechten und Gesundheit mit konkreter Berufsberatung. Beraterinnen informieren über Karrierewege speziell im Gesundheitssektor, wo dringend Fachkräfte gebraucht werden. Kurzpraktika ermöglichen den Schülerinnen, in das Arbeitsfeld hineinzuschnuppern. „Wir haben gelernt, dass wir Talente und Fähigkeiten haben, die wir nutzen müssen“, sagt eine der Schülerinnen. „Dann können wir unseren eigenen Weg finden.“ Gezielt spricht das Projekt zudem die Eltern und Lehrkräfte an. „Medica Liberia hat uns die Augen geöffnet“, sagt Mary Numah in Seebeh. „Wir wissen nun, wie wichtig es ist, dass unsere Töchter zur Schule gehen.“