Viele Frauen warteten seit Jahren darauf, ihren Partnern und Familien nachreisen zu können, erklärt Hauser. „Wir wissen aus der Traumaforschung, dass familiäre Bindungen ein wichtiger Stabilisierungsfaktor für traumatisierte Menschen sind. Re-Traumatisierungen sind durch eine solche menschenunwürdige Politik vorprogrammiert.“
Daher fordert medica mondiale von der Bundesregierung:
- Erstens müsse der Familiennachzug für alle geflüchteten Menschen ermöglicht werden.
- Zweitens verlangt die Kölner Frauenrechtsorganisation, die von der großen Koalition geplanten AnKER-Zentren nicht einzurichten, sondern Frauen und Familien dezentral unterzubringen.
- Drittens dürften keine Länder zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden, in denen das Leben von Menschen weiter bedroht ist.
- Viertens gelte es, sexualisierte Kriegsgewalt endlich als Asylgrund anzuerkennen. Eine Voraussetzung dafür sei Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt auskenne.
- Fünftens müssten Überlebende sexualisierter Gewalt in ihren Herkunftsländern unterstützt werden. „Die meisten Frauen, die Gewalt im Krieg erleben, verbleiben als Binnenvertriebene in ihren Heimatländern oder als Flüchtlinge in den Nachbarländern“, so Hauser. Für sie fordert medica mondiale langfristige Hilfen sowie Projekte zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Solche Angebote sollten im Rahmen einer feministischen Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik finanziert werden.
PolitikerInnen dürften nicht weiter zulassen, dass Frauen sexualisierter (Kriegs-)Gewalt ausgesetzt sind und Überlebende keine angemessene Unterstützung erhalten, während die Täter und Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Dazu die Aktivistin Hauser: „Wenn wir von Geschlechtergerechtigkeit sprechen, geht es nicht um Almosen, sondern um Frieden, Sicherheit und natürlich um die Rechte von Frauen und Mädchen.“ Erläuterungen zu den fünf Forderungen von medica mondiale und eine Infografik finden Sie in unserem Themendienst „Frauen auf der Flucht“.
Hintergrund:
Ein Drittel der zurzeit in Deutschland Zufluchtsuchenden ist weiblich. Frauen fliehen nicht nur vor Bomben und anderen grausamen Auswirkungen von Kriegen. Unter den zehn häufigsten Fluchtursachen nennt die „Repräsentative Untersuchung von geflüchteten Frauen in unterschiedlichen Bundesländern in Deutschland“ aus dem Jahr 2016:
Krieg, sexualisierte Gewalt sowie Angst vor Ehrenmord, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung. Auf der Flucht setzt sich die Gewaltspirale fort. Frauen sind gefährdet, durch Schlepper, Grenzbeamte, Soldaten, Helfer in Flüchtlingslagern oder geflüchtete Männer erneut Gewalt zu erleben.
Seit 2016 bietet die Frauenrechtsorganisation medica mondiale Schulungen zum stress- und traumasensiblen Umgang mit Geflüchteten in Deutschland an. Rund 900 ehren- und hauptamtliche Fachkräfte in Unterkünften und sozialen Einrichtungen haben bislang daran teilgenommen.
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- Video "Sexualisierte Kriegsgewalt als Kriegsverbrechen" (10 Jahre UN-Resolution 1820 vom 19.6.2008)
Seit 25 Jahren setzt sich medica mondiale für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten ein. Dabei versteht sich die Organisation als Anwältin für die Rechte und Interessen von Frauen, die sexualisierte Kriegsgewalt überlebt haben. Neben gynäkologischer, psychosozialer und rechtlicher Unterstützung bietet medica mondiale Programme zur Existenzsicherung und leistet politische Menschenrechtsarbeit. 2008 wurde die Gründerin der Organisation, Monika Hauser, mit dem Right Livelihood Award, dem so genannten Alternativen Nobelpreis, ausgezeichnet.